The Innovator's Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren
von Clayton M. Christensen
Der Erfolg mit exzellentem Innovationsmanagement kann nämlich den Blick für eine andere Art von Innovation verstellen: Die Rede ist von den disruptiven Innovationen, die die sequentielle Innovationslogik und die dafür geschaffenen Routinen über den Haufen werfen, weil sie eben nicht aus dem (inzwischen etablierten) Innovationsmanagement hervorgehen.
In eben diesem Fall, so stellen wir fest, ist es besser, einmal nicht auf seine Kunden zu hören. In diesem Fall ist es besser, auf Produkte von niedrigerer Qualität mit bescheidenen Margen zu setzen und es ist besser, aggressiv in kleine anstatt in große Märkte zu stoßen.
Insbesondere Apple setzte in der Folge einen einzigartigen Standard für benutzerfreundliche PCs. Dabei hinkten Apple und IBM ihrerseits in der Einführung von tragbaren Computern der Konkurrenz (zunächst) deutlich hinterher.
Aktuell stellen viele disruptive Innovationen etablierte Unternehmen auf die Probe: die digitale Zeitung, Software-as-a-Service, das Elektroauto – um nur einige zu nennen.
Es gibt Zeiten, in denen es besser ist, gerade nicht auf Kunden zu hören, in denen es besser ist, auf Produkte von niedrigerer Qualität mit niedrigeren Margen zu setzen und in denen es besser ist, aggressiv in kleine anstatt in große Märkte zu stoßen.
Technologie steht für alle jene Prozesse, deren sich ein Unternehmen bedient, um seine Ressourcen in Produkte oder Dienstleistungen und damit in Kundennutzen umzuwandeln. Insofern verwendet jedes Unternehmen, selbst ein Discounter, eine Technologie, um seine Kunden zu befriedigen. Technologie beinhaltet weit mehr als Entwicklung und Produktion, es schließt Marketing-, Investitions- und Managementprozesse mit ein. Daraus leitet sich dann auch das Innovationsverständnis dieses Buches ab: Innovation steht hier für ein Verändern einer solchen Technologie.
Technologien entwickeln sich oftmals schneller als das Marktbedürfnis.
Allen evolutionären Technologien ist aber gemein, dass sie darauf gerichtet sind, die Leistungsfähigkeit von vorhandenen Produkten entlang der zentralen Kundenanforderungen in bestehenden Märkten zu steigern.
Von Zeit zu Zeit entstehen aber disruptive Technologien. Sie führen zunächst zu schlechteren Produkten. Paradoxerweise sind sie es, die bislang führende Unternehmen zu Fall bringen. Sie sprechen einen anderen Kundennutzen an.
Sie liegen zunächst noch weit hinter der Leistungsfähigkeit einer evolutionären Technologie zurück, können aber über die Zeit durchaus volle Wettbewerbsfähigkeit erlangen.
Mit der Thomas W. Lawson war nicht nur ein Schiff, sondern eine ganze Branche untergegangen. Das Dampfschiff löste das Segelschiff ab. Kein einziger Hersteller von Segelschiffen meisterte diesen Technologiesprung, obgleich sich der Aufstieg des Dampfschiffes über Jahrzehnte hinzieht. Was war der Grund dafür?
Wie konnte man nur so kurzsichtig sein, auf eine veraltete Technologie setzen und dabei die Entwicklung hin zum Dampfschiff verschlafen?
Das siebte Segel der Thomas W. Lawson steht damit für eine bestimmte Art der Innovation. Es steht für die evolutionäre Innovation, die – entweder auf inkrementelle oder radikale Art – darauf abzielt, Bestehendes zu verbessern. Märkte, Kunden und Leistungsparameter sind bekannt. Das Dampfschiff indes steht für die Disruption. Zunächst hinsichtlich der zentralen Leistungsparameter unterlegen, erweist sich eine disruptive Technologie in anderen Märkten, in denen andere Leistungsparameter zählen, als interessant. Dort kommt die Technologie dann auch zum Einsatz, wird weiterentwickelt bis sie schließlich ein Leistungsniveau erreicht, mit dem sie die etablierte Technologie angreifen und abzulösen vermag.
Dieses Phänomen steht in Einklang mit der Theorie der Ressourcenabhängigkeit. Diesem Ansatz zur Folge unterliegen Führungskräften der Illusion, dass sie es sind, die in ihrem Unternehmen über Ressourcenströme entscheiden. Tatsächlich sind es aber die Kunden und die Kapitalgeber. Unternehmen, die ihre Mittel so einsetzen, dass sie weder Kunden noch Investoren zufriedenstellen, werden nicht überleben.
Führende Unternehmen sind dann auch bei disruptiven Technologien erfolgreich, wenn sie dafür eigene Organisationseinheiten schaffen und diesen Einheiten den klaren Auftrag erteilen, sich um das Disruptive zu kümmern.
Dabei können Führungskräfte nicht erwarten, dass freiwillig Ressourcen dafür verwendet werden, um in neue, noch unbedeutende Märkte zu stoßen. Für ein Unternehmen, dessen gesamte Kostenstruktur auf den Wettbewerb in einem „High-End Segment“ des Marktes ausgerichtet ist, erweist es sich als ausgesprochen schwierig, im „Low-End Segment“ Zählbares zu erwirtschaften. Will sich ein etabliertes Unternehmen auf den Wettbewerb rund um eine disruptive Technologie einlassen, reicht es nicht aus, eine unabhängige Organisationseinheit zu schaffen. Diese braucht zugleich entsprechend ausgerichtete Strukturen und Prozesse, um sich mit dem Prinzip der Ressourcenabhängigkeit zu arrangieren.
Die Welt disruptiver Innovationen ist eine andere: Marktforscher und Planer versagen.
Wir plädieren für einen anderen, „explorativen“ Ansatz. Er berücksichtigt, dass der richtige Markt und die passende Strategie, um diesen wirksam zu bearbeiten, nicht im Voraus bekannt sind. Ein solches „discovery-based planning“ fordert von Führungskräften eine Bewusstseinsleistung ein: Sie sollen (a) annehmen, ihre Prognosen seien eher falsch als richtig, auch sollen sie (b) nicht davon ausgehen, dass ihre Strategien greifen. Schließlich müssen Führungskräfte (c) abseits von bislang Gelerntem lernen, was mit der Entwicklung des Marktes noch gelernt werden muss. Damit stehen die Chancen gut, die Herausforderungen, die mit disruptiven Innovationen verbunden sind, tatsächlich zu meistern.
Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Leistungsfähigkeit eines Produktes über den Kundenanforderungen liegt, verliert die Produktleistung ihre kaufentscheidende Wirkung. Es gewinnt nicht mehr das leistungsfähigste Produkt. Die Kaufkriterien entwickeln sich von Funktionalität über Zuverlässigkeit hin zu Bequemlichkeit und schließlich spielt der Preis die entscheidende Rolle.
Sie bieten mehr, ja oftmals weit mehr, als ihre wichtigsten Kunden erwarten. Damit tragen sie selbst gehörig dazu bei, dass sich unterhalb ihrer Produktleistung ein Vakuum entwickelt, das Raum schafft für einfachere und billigere Produkte. Sie selbst ebnen damit neuen Konkurrenten den Weg, die auf Basis disruptiver Technologien in den Markt eintreten.
Vielmehr wurden die Hersteller von 5 ¼-Zoll-Laufwerken durch ihre bestehenden Kunden in die Irre geführt. Keines der etablierten Unternehmen war sich über das Potenzial von tragbaren Computern und das der neuen Laufwerke, die diese erst ermöglichten, im Klaren.
Disruptive Innovationen weisen im Vergleich zu konventionellen Produkten hinsichtlich der Anforderungen der wichtigsten Kunden zunächst deutliche Leistungsnachteile auf.
Am 11. Februar 2002 ist es soweit: Dr. Carver Mead von Foveon verkündet, dass sein neuer digitaler Sensor das erste Mal Auflösung und Farbe eines traditionellen 35 mm-Films überholte. Mit anderen 44Worten: Der technologische Entwicklungspfad der Digitalfotografie überholte die Leistungskurve der Analogfotografie. Der Markterfolg zieht unmittelbar nach: 2003 werden weltweit erstmals mehr Digitalkameras als Filmkameras verkauft, 2005 sind es bereits viermal so viele