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Time is honey: Vom klugen Umgang mit der Zeit

von Karlheinz A. Geißler und Jonas Geißler

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  • Der Lattenzaun Es war einmal ein Lattenzaun, mit Zwischenraum, hindurchzuschaun. Ein Architekt, der dieses sah, stand eines Abends plötzlich da – und nahm den Zwischenraum heraus und baute draus ein großes Haus. Der Zaun indessen stand ganz dumm, mit Latten ohne was herum. Ein Anblick gräßlich und gemein. Drum zog ihn der Senat auch ein. Der Architekt jedoch entfloh nach Afri- od- Ameriko. Christian Morgenstern

  • Wir warten nicht mehr auf das Abklingen einer Erkältung, nicht mehr auf das Christkind und auch nicht mehr auf den Osterhasen. Wir wollen alles, immer, überall, und das sofort!

  • Die Pause ist ein sanfter Sturz aus dem Gewohnten. Sie macht das, was sie unterbricht, zu etwas Vergangenem und das, was ihr folgt, zu etwas Zukünftigem.

  • »Wer zehn Nächte hintereinander nur sechs Stunden schläft, befindet sich, was Leistungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Gedächtnis und Urteilskraft angeht, in einem Zustand, als hätte er ein Promille Alkohol im Blut.« (Süddeutsche Zeitung Magazin: Heft 15/2014).

  • Der Blick in den Spiegel nach einer schlaflosen Nacht macht das sichtbar. Glauben Sie denen nicht, die behaupten, sie würden mit drei bis vier Stunden täglichem Schlaf auskommen. Eine solche Behauptung zeigt vor allem, dass da einer bereits Opfer seines Schlafmangels geworden ist. Der Mensch hat ein Recht auf Schlaf und auf Pausen, ein Recht, das man dadurch verteidigt, indem man es ausübt.

  • Das Beste, was Sie in der Pause tun können, ist, sich am Verstreichen der Zeit zu erfreuen, um Ihren Möglichkeitssinn für das Unvorhersehbare zu fördern. Spielen Sie in den Pausen, am besten mit der Zeit.

  • Die Philosophen des Mittelalters kannten noch zwei Pfade, die zu einem erfüllten Leben führten: einen über die Aktivität (vita activa) und einen zweiten über das Beschauen, die Beschaulichkeit, die Kontemplation (vita contemplativa).

  • Über die Nachhaltigkeit solch inszenierter »Jetzt«-Erfahrungen sollte man sich keine Illusionen machen. Sie sind Produkte eines nüchternen Kalküls, herbeizitiert aus Gründen des Profits. Das Lustversprechen des »Jetzt« wird durch dessen Bewirtschaftung zerstört, und das Glücksversprechen des erfüllten Augenblicks entzieht sich, wenn man ihn an die Kandare der Kalkulation legt.

  • Es zählt zu den wichtigsten Aufgaben aller, die über Zeit und über Zeitvorgaben entscheiden, Bescheid zu wissen über die Zeitbedarfe der jeweiligen Aufgabe, die zeitliche Abfolge und Schrittfolge ihrer Bearbeitung. Das ist notwendiger und unverzichtbarer Bestandteil ihrer Aufgaben- und Zeitkompetenz. Denn was immer man plant und realisiert, den Bau eines Hauses, eine Ferienreise, ein Abendessen, das Erlernen einer Sprache, ein Mitarbeitergespräch: Alles hat und braucht seine Zeit.

  • Der eine hat ein zeitintensives Hobby, die andere treibt viel Sport, steigt gerne auf Berge und fühlt sich nur dann wohl, wenn sie genügend Zeit dazu hat. Ihre Leidenschaft für Fußball macht es den einen unmöglich, am Wochenende zur Arbeit ins Büro zu gehen, während andere gerade am Wochenende Zeit und Lust haben, am Schreibtisch zu sitzen. Die Raucher brauchen mehr Pausen als die Nichtraucher. Zuweilen begegnet man Personen, die für sich entschieden haben, alle drei Jahre für ein halbes Jahr »auszusteigen«, um irgendwo im Ausland ein Entwicklungsprojekt voranzutreiben. Man wird schwerlich zwei Personen treffen, die die gleichen Vorstellungen haben, wie sie die Zeit organisieren und mit ihr umgehen möchten.

  • Was dem einen gefällt, lässt den anderen kalt, was die eine glaubt machen zu müssen, will die andere auf gar keinen Fall tun. Was für die einen Zeitfreiheit ist, ist für andere Zeitzwang. Zufrieden mit der Zeit, den zeitlichen Bedingungen und dem Zeitleben ist jede Person auf ihre je eigene Art und Weise. Gemeinsam betroffen aber sind alle von den Veränderungen und Dynamiken ihrer gesellschaftlichen Umwelt.

  • Welche Eigenzeiten tun mir gut, welche tragen zu meiner Zeitzufriedenheit bei, welche sind Ressourcen für mich, stocken meinen Energiehaushalt auf, fördern meine Lebenslust?

  • Auch bei der Identifikation und der Offenlegung von Ressourcenzeiten hat sich das Modell des Zeitgeflechts bewährt. Bei Ressourcenzeiten handelt es sich um Zeiten, die die Lebensenergie, den Lebensgenuss und die Lebensfreude erhöhen, um Zeiten, die Sinn vermitteln und als sinnvoll erlebt werden. Dazu gehören insbesondere Zeiterfahrungen der Selbstwirksamkeit, in denen man sich als wirkmächtig und wirkungsvoll erlebt.

  • Die Ressourcenzeiten, in denen uns Lebensenergie zuströmt und unsere Widerstandskräfte gestärkt werden, gilt es zu erkennen, zu pflegen und zu schützen– und, wenn möglich, auszubauen. Dazu zählen auch die kleinen Riten des Arbeitsalltags, wie zum Beispiel die Rituale der Arbeitsaufnahme, des Arbeitsabschlusses und Zwischenbilanzen. Sie geben dem Tag jenen Rhythmus, der der Zeitnatur des Menschen entspricht.

  • Die Ressourcenzeiten, in denen uns Lebensenergie zuströmt und unsere Widerstandskräfte gestärkt werden, gilt es zu erkennen, zu pflegen und zu schützen – und, wenn möglich, auszubauen. Dazu zählen auch die kleinen Riten des Arbeitsalltags, wie zum Beispiel die Rituale der Arbeitsaufnahme, des Arbeitsabschlusses und Zwischenbilanzen. Sie geben dem Tag jenen Rhythmus, der der Zeitnatur des Menschen entspricht.

  • Das Ritual des Familienfrühstücks ist dafür exemplarisch. Obgleich es in unserer flexibilisierten Welt fast nur noch an Sonn- und Feiertagen lebendig ist, stiftet es einen unersetzbaren familiären Zusammenhalt und stabilisiert Familien durch seine Kräfte der Vergemeinschaftung.

  • Doch der Mensch ist ein begrenztes Wesen. Die Grenzen seiner Zeitlichkeit sind unwiderruflich vorgegeben. Andere Grenzen setzt er selbst. Er setzt sie sich und seiner sozialen Mitwelt, um sich sichtbar zu machen, abzugrenzen und Profil zu gewinnen. Vorgesetzte grenzen sich von Untergebenen ab, Ärztinnen von Patienten, Lehrer von Schülerinnen. In der Begrenzung macht der Mensch sich zum Herrn seiner selbst. Ohne Grenzziehung lebten wir, falls das überhaupt möglich wäre, in einer Welt der Zeit-, der End- und der Maßlosigkeit.

  • Die Grenzen entlasten, während die Grenzenlosigkeit des »wann Sie wollen, wo Sie wollen« verunsichert. Entgrenzungen führen zum Anstieg des Zeit-, Energie- und Orientierungsaufwands.

  • Wie macht man aus einem Tag, in dem der Uhrenmensch vor allem eine Ansammlung von Stunden, Minuten und Sekunden sieht, einen guten Tag? Einen Tag, der einen zufrieden macht, auf den man am Feierabend gerne zurückblickt und von dem man anderen gerne erzählt? Die Antwort ist einfach und doch unendlich schwierig zugleich: Zufrieden kann man sein, wenn man am Abend das Empfinden hat, man habe genug getan.

  • Wenn Uhrzeit, die nicht zufrieden macht und kein »genug« kennt, und Geld, das nicht glücklich macht und auch kein »genug« kennt, eine enge Verbindung eingehen, machen sie Tempo aus der Zeit. Investiert man dann weiterhin Geld in Tempo, heißt die Rendite nicht »mehr Zeit«, sondern »mehr Tempo«. Aber Uhrzeit und Geld sind maßlose Größen und kennen daher kein »genug«, keinen Feierabend und kein zufriedenes Zurücklehnen.

  • Wo das Wissen um die Endlichkeit des eigenen Daseins auf eine unendliche, grenzen- und maßlose Welt trifft, wo das jeweils Erreichte nie reicht, herrschen endloser Zeitdruck und Dauerunzufriedenheit.

  • Wer nach Maßen fürs »genug« sucht, kommt nicht umhin, eine Auswahl zu treffen zwischen dem, was man tut, und dem, was man lässt

  • Wer nach Maßen fürs »genug« sucht, kommt nicht umhin, eine Auswahl zu treffen zwischen dem, was man tut, und dem, was man lässt.

  • Wachsen die Möglichkeiten, steigt auch die Menge dessen, was man verpasst und auf was man zu verzichten gezwungen wird.

  • In einer Welt, die wie die unsere überfüllt ist mit Gütern, läuft man Gefahr, von der Masse der vielen Möglichkeiten erdrückt oder erschlagen zu werden. Vermeiden lässt sich das nur, wenn man auswählt, verzichtet, ignoriert und vieles verpasst. Das muss man können. Kann man es nicht, muss man das Auswählen, das Verzichten, das Ignorieren und das Verpassen lernen.

  • Beginnen Sie Ihren Arbeitstag und neue Arbeitsphasen wie »Projekte« mit einer kleinen Zeremonie, und beenden Sie diese ebenso mit einer solchen, wie einem gemeinsamen Abendessen.

  • Vorbilder für die Kultur des »Lassens« gibt es viele, vom wohnsitzlosen, genügsamen Altgriechen Diogenes von Sinope bis zum 2200 Jahre später zurückgezogen in den Wäldern Massachusetts lebenden und schreibenden Henry David Thoreau.

  • Versuchen Sie nicht, sogleich alles anders zu machen. Wer das will, lässt alles so, wie es ist.

  • Machen Sie sich nicht auf die Suche nach mehr Zeit. Sie werden scheitern. Mehr Zeit gibt es nicht. Aber andere Zeiten, von denen Sie in Ihrem Leben mehr haben, die gibt es. Mehr Zeit brauchen Sie übrigens auch gar nicht, denn täglich kommt neue nach.