# Denken

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# Die Welt sehen, wie sie ist

Es gibt drei Perspektiven auf die Welt:

  1. Die Welt, wie sie wirklich ist
  2. Die Welt, wie man sie sieht.
  3. Die Welt, wie sie sein sollte

Wir wissen, dass diese drei Sichten nicht deckungsgleich sind. Es gibt Überschneidungen, aber nie werden alle drei Sichten deckungsgleich sein.

Die zweite Sicht unterscheidet sich von der ersten Sicht durch unsere Wahrnehmung. Die dritte Sicht unterscheidet sich von der ersten Sicht durch unser Handeln.

Es gilt, die zweite Sicht so nah wie möglich in Einklang mit der ersten Sicht zu bringen. Dafür muss man oft "die rosa Brille" abnehmen. Es hilft nämlich nicht, wenn man ein falsches, naives Bild der Welt hat – es führt nur zu falschen Entscheidungen.

Auch ist die Welt nicht, wie sie sein sollte. Eine Beschreibung über den objektiven Zustand der Welt nennt man deskriptiv. Ein Beschreibung über den Wunschzustand wird als preskriptiv bezeichnet. Andere Wörter, die im Wesentlichen den selben Inhalt besitzen, lauten positiv und normativ. Es ist wichtig, diese Sichten nicht zu vermengen.

# First Principles

"With analogy we are doing this because it's like something else that was done, or it is like what other people are doing. With first principles you boil things down to the most fundamental truths ...and then reason up from there" — Elon Musk

Reasoning from First Principles ist eine Methode, bei der man das zu lösende Problem auf den innersten Kern runterbricht und nicht, wie es oft der Fall ist, Abwandlungen (Analogien) von bestehenden Lösungen verwendet.

Das bedeutet, dass man frei ist von preconceived notions und das Problem von Grund auf löst. Dafür muss man das Problem auf den Kern reduzieren – die fundamentale Wahrheit – und von dort lösen. Das ist verwandt mit der sokratische Methoden (alles hinterfragen, bis man beim Kern angelangt ist) und den Greenfield-Ansatz, den man vermehrt in der Management-Literatur findet. Eine grüne Wiese kann nach flexibel bebaubt werden, während die Änderung einer bestehenden Hauses nur inkrementell funktioniert.

"If I had asked people what they wanted, they would have said faster horses" — Henry Ford

Im Übrigen kann man argumentieren, dass disruptive Technologien (Clayton M. Christensen) oft, nicht immer, das Resultat von First Principles ist. Ein Beispiel. Das Automobil hat Pferde und Kutschen als Transportmittel für den Personenverkehr abgelöst. Denn anstatt schnellere Pferde zu entwickeln, wurde von Grund auf, auf Basis der bestehenden Technologie, überlegt, wie eine Fortbewegung gestaltet werden kann. Analog hat das iPhone mit dem Touchscreen das Mobiltelefon neuerfunden und es scheint, als passiert gerade ähnliches mit Tesla und dem Elektromotor.

"First Principles" verhält sich zu "Reasoning from Analogy" wie "komplett neu machen" zu "überarbeiten".

Beispiele

  • Elon Musk
  • Sokrates
  • Das iPhone vs. Nicht-Touchscree-Smartphone
  • Der Elektromotor vs. Einspritzmotor als Antrieb

# In Wahrscheinlichkeiten denken

"What makes a decision great is not that it has a great outcome. A great decision is the result of a good process, and that process must include an attempt to accurately represent our own state of knowledge." — Annie Duke

Alles im Leben hat Wahrscheinlichkeiten: Alles ist ein Numbers Game. Jede Entscheidung, die man trifft, gleicht einer Wette, die man eingeht. Das gilt insbesondere für Sales (hier spricht man vom Sales-Funnel und von conversions. Der Trichter ist am Anfang gefüllt und je weiter man nach rechts/unten geht, desto kleiner wird er. Das liegt darin, dass die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Stufe zu erreichen, nicht gleich 1 ist.

Ganz wichtig: Wahrscheinlichkeiten betrachten immer die ex-ante-Perspektive. Das heißt, sie beziehen sich immer auf die Zeit, bevor ein Ereignis eintritt. Ex post dagegen beschreibt die Zeit, nach dem Eintritt eines Ereignises.

Die meisten Wahrscheinlichkeiten kann man nur abschätzen oder aus Daten der Vergangenheit erzeugen. Wahrscheinlichkeiten, die man berechnen kann, setzten einen definierten Rahmen voraus. Das ist im Lotto-Spiel oder beim Roulette der Fall – nicht aber in der echten Welt.

"Improving decision quality is about increasing our chances of good outcomes, not guaranteeing them." — Annie Duke

Dennoch ist es ungemein hilfreich, jede Entscheidung im Hinblick auf zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeiten zu betrachten. Manche Dinge sind eben wahrscheinlicher als andere – und dies gilt es zu beachten.

Im Übrigen funktioniert das aktive Investieren, wie es beispielsweise Warren Buffett schon seit Dutzenden von Jahren unfassbar erfolgreich praktiziert, auch dadurch, dass man Marktentwicklungen besser als der Rest praktiziert. Das heißt auch, dass man besser die Wahrscheinlichkeiten für diese Entwicklungen abschätzt. Die Empirie zeigt, dass dies konsistent nur sehr, sehr wenigen Menschen gelingt.

Beispiele

  • Poker
  • Sales-Funnel
  • Mathematik
  • Sportwetten und Pferdewetten

Verwandte Modelle

  • Erwartungsnutzen
  • Normalverteilung
  • Wissenschaftliche Methode

# Äpfel und Birnen

Wenn man Dinge miteinander vergleicht, dann müssen diese in sich auch vergleichbar sein. Der Volksmund nennt das Äpfel mit Birnen vergleichen, in der Berater-Lingo spricht man von like-for-like-Vergleichen. Das Ganze hat mit der wissenschaftlichen Methode zu tun: man vergleicht immer eine treatment group, bei dem eine Variable geändert wird mit der control group. Das Gleichhalten der anderen Variablen nennt man "ceteris paribus" – "unter sonst gleichen Bedingungen".

Im Internet-Marketing (z. B. bei einer Produktseite) nutzt man für Tests der Conversion sogenannte A/B-Tests, um zu sehen wie verschiedene Methoden/Designs performen. Ist die Stichprobe groß genug kann man so feststellen, ob der rote oder der blaue Button besser performt (auch hier sprechen wir wieder von Wahrscheinlichkeiten und einem Sales-Funnel).Natürlich muss man bei einer solchen univariaten Analyse vorsichtig sein, denn die meisten Systeme sind non-linear und die verschiedenen Variablen haben untereinander Beziehungen, die man auf den ersten Blick nicht sieht.

Beispiele

  • Unternehmensberatungen
  • Wissenschaftliche Methode

# Via negativa

"Man muss immer umkehren" – Carl Gustav Jacob Jacobi

Oft wird versucht etwas zu verbessern, indem man positive Elemente hinzufügt. Das Gegenteil aber – das Entfernen von negativen Elementen – ist meistens jedoch effektiver. Wer raucht, kann Medikamente nehmen (via positiva) oder aber auch einfach mit dem Rauchen aufhören (via negativa). Letzteres hat einen größeren Effekt. Straßen werden nicht dadurch bedeutend sicherer, dass man viele neue Regeln einführt, sondern dadurch, dass verkehrsuntüchtige Teilnehmer, z. B. betrunkene Fahrer, aus dem Verkehr gezogen werden.

"Less is more/Weniger ist mehr" — Sprichwort

Es gilt also, nicht immer nur in additiven Konzepten zu denken, sondern zu überlegen, was man Entfernen kann, um ein System zu verbessern. Oder anders: Anstatt zu versuchen besonders schlau zu sein, hilft es oft, weniger dumm zu handeln. Das hat schon viele Probleme gelöst.

"The entire idea of via negativa is that omission [avoidance of harm, removal of drugs, corn syrup, cigarettes, gluten, carbs (by fasting), gym instructors, tail risks, etc.] does not have side effects and branching chains of unintended consequences -hence robust. But big corporations [evil pharma, pepsi] and consultants cannot make money from removing; they only benefit from adding." — Nassim Taleb

Nassim Taleb nennt noch einen weiteren Grund, warum via positiva oft gefährlicher ist, als man zunächst annimmt. Immer dann, wenn an zu einem System einen weiteren Freiheitsgrad hinzufügt, potenziert sich die Komplexitität und auch die Fehleranfälligkeit. Die zugrundeliegenden komplexe, meist non-linearen Beziehungen zwischen Systembestandteilen sind für uns oft nicht zu verstehen.

Ein Beispiel dazu: Eine heute gebaute Boeing ist um ein vielfaches komplexer als der erste gebaute Jumbo-Jet, und das, obwohl sich die Technologie seit dem ersten Jumbo-Jet kontinuierlich weiterentwickelt hat.

Fügt man zu einem bereits komplexe System also weitere Komponenten hinzu, wird es exponetiell komplexer. Beim Reduzieren ist dies nicht der Fall. Deshalb spielt via negativa auch bei der Epistemologie, die sich mit der Frage nach den Bedingungen von begründetem Wissen beschäftigt, eine wichtige Rolle: Es ist stets einfacher zu zeigen, dass etwas nicht zutrifft (via negativa), als eine Aussage zu beweisen (via positiva).

Für den Negativbeweis, reicht ein einziges Gegenbeispiel! Für den Positivbeweis müssen alle möglichen Fälle bewiesen werden. Letzteres ist bei einer unbegrenzten Unzahl von Fällen schlichtweg unmöglich. Ein anschauliches Beispiel ist das des schwarzen Schwans, das im gleichnamigen Buch von Nassim Taleb populär gemacht wurde. Um die Aussage "alle Schwäne sind weiß” zu widerlegen, reicht die Beobachtung eines einzigen schwarzen Schwanes. Umgekehrt müsste man alle Schwäne der Welt überprüfen, um die Aussage (= dass alle Schwäne weiß sind) zu beweisen.

"The difference between successful people and really successful people is that really successful people say no to almost everything" — Warren Buffet

Ich erachte dieses mentale Modell als eines der wichtigsten und am meisten unterschätzten Modelle überhaupt. Aus diesem Grund habe ich einen längeren Essay über die Kunst des Weglassens geschrieben, der hier (opens new window) zu lesen ist.

Ein herausragendes Beispiel für via negativa. Steve Jobs stellt den iMac und das aufgeräumte Produktportfolio vor:

Beispiele

  • Komplexe Systeme
  • Charlie Munger
  • Talebs via negativa
  • Minimalismus
  • Essentialismus
  • Lean Management

# Ockhams Rasiermesser

"You gave too much rein to your imagination. Imagination is a good servant, and a bad master. The simplest explanation is always the most likely." — Agatha Christie

Okkhams Rasiermesser ist eine einfache Entscheidungsheuristik: Wenn es eine einfache und eine komplexe Erklärung gibt, wähle die einfache. Denn damit eine komplexe Erklärung zutreffend ist, müssen alle Elemente der komplexen Erklärung zutreffen. Eine komplexe Erklärung ist demnach leichter zu falsifizieren.

Ein Beispiel: Wenn man in den USA vierbeinige, Pferde-ähnliche Wesen durch die Gegend rennen sieht, dann sind es eher Pferde als Zebras. Dieser Vergleich stammt bereits aus den 1940er Jahren. Seltene Krankheiten sind hier die Zebras, häufige Krankheiten mit den ähnlichen Symptomen die Pferde. Theodore Woodward, Medizin-Professor fasst dies so zusammen:

"When you hear hoofbeats, think of horses not zebras" — Theodore Woodward

Ockhams Rasiermesser als mentales Modell gibt es bereits lange. In den letzten Jahren hat der herausragende Psychologie Daniel Kahneman mit seiner Konzeption der Availability heuristic und dem Base rate neglect Ockhams Rasiermesser einen nobelpreiswürdigen wissenschaftlichen Unterbau verliehen. Menschen machen oft den Fehler, die mental am schnellsten verfügbare Erklärung heranzuziehen, anstatt die Basis-Wahrscheinlichkeitsrate zu verwenden. Wenn ein Mensch durch einen Unfall stirbt, dann ist ein Autounfall um ein Vielfaches wahrscheinlicher (höhere base rate) als ein Flugzeugunfall. Ein Flugzeugunfall ist aber oft mental schneller verfügbar.

Deshalb gilt: Nutze die einfachere Erklärung gegenüber der komplexen; nutze die wahrscheinlichere Ursache als die unwahrscheinlichere. Eine wichtige Einschränkung gilt: Wenn man mehr Informationen hat, können sich die Wahrscheinlichkeiten ändern. Dann tritt die Regel von Bayes mit den bedingten Wahrscheinlichkeiten in den Vordergrund. Für viele ist die Berechnung der bedingten Wahrscheinlichkeit schwierig, weshalb unter anderem Gigerenzer eine einfache Methode hierfür entworfen haben, die hier (opens new window) zu finden ist.

Beispiele

  • KISS-Prinzip (Keep it simple, stupid)
  • Zebras und Pferde in der Medizin

Verwandte Modelle

  • Satz von Bayes
  • Denken in Wahrscheinlichkeiten
  • Kognitive Verzerrungen
  • Base rate neglect
  • Availability heuristic

# Teile und herrsche

"Entzwei und gebiete! Tüchtig Wort; Verein und leite! Bessrer Hort." — Johann Wolfgang von Goethe

Divide et impera, das zu Deutsch als Teile und herrsche übersetzt werden kann, ist eine bereits seit Jahrtausenden bekannte Methode zur Lösung von Problemen. Zufrundeliegend ist die Annahme, dass man alles in kleinere, oft leichter zu handhabende Bestandteile zerlegen kann. Diese werden dann Stück für Stück bearbeitet. Eine 10.000 Mann starke Armee kann fünf Schlachten infolge gegen jeweils 3.500 Mann gewinnen, wird aber – ceteris paribus – gegen 17.500 auf einmal höchstwahrscheinlich nur geringe Chancen haben.

Auch in einem anderen militäsichen Konzept wird divide et impera deutlich. Der große deutsche General Helmuth von Moltke soll gesagt haben:

"Getrennt marschieren, vereint schlagen!" — Helmuth von Moltke

Teile und herrsche wird auch in der Informatik sehr erfolgreich eingesetzt. Quicksort (opens new window), der zusammen mit Mergesort wohl populärste Sortieralgorithmus, funktioniert, indem die sortierenden Daten basierend auf dem sogenannten Pivot-Element geteilt werden. Dann werden in rekursiver Vorgehensweise die einzelnen Teile sortiert.

"In the 16th century, [Niccolò] Machiavelli - in an attempt to get back in the good graces of the powerful - wrote a slim volume called The Prince. In that book he showed the powers that be how to control the people. That book is a statement: separate and rule, divide and conquer. That's five hundred years ago and it still works, because we allow ourselves to be lead around with holes through our noses." — Maya Angelou

Auch im modernen Management findet Teile und herrsche Anwendung. Eine Ausprägungsform ist das als MECE abgekürzte Prinzip von mutually exclusive, collectively exhaustive. MECE stammt von McKinsey. Es ist eine Methode, die für eine klare Struktur sorgt. Es bedeutet, dass Teile des Ganzen klar voneinander getrennt sind (mutually exclusive), zusammengenommen aber das Ganze ergeben (collectively exhaustive). Die Subbestandteile sind dann disjunkt (Mengenlehre). Mit MECE kann man ein Problem strukturiert in seine Einzelteile zerlegen. Zum Beispiel: Interne Faktoren vs. Externe Faktoren.

Für Naturwissenschaftler ist MECE kein eigenes Konzept, sondern eigentlich selbstverständlich. Für viele Menschen aber, insbesondere diejenigen, die einen eher weniger mathematisch geprägten Background haben, stellt MECE eine gute Leitlinie da, Probleme zu strukturieren.

Da es aber immer Wechselwirkungen zwischen einzelnen Komponenten gibt, ist MECE nur eine Heuristik, ein Model, das nie 100 % der Realität entsprechen wird. Oft wäre viel Aufwand nötig, um ein Problem perfekt MECE-konform in Einzelteile zerlegen zu können. Wenn das nicht möglich ist, muss man vereinfachen. Ich spreche dann von 80–20-MECE. Es bedeutet, dass die MECE-Aufteilung nicht perfekt ist, aber nur wenig Aufwand erfordert.

Beispiele

  • Barbara Minto
  • Unternehmensberatungen
  • Sortieralgorithmen

Verwandte Modelle

  • Mengentheorie

# Pyramidales Denken

Pyramidales Denken hat direkt mit MECE zu tun. Hier geht es darum, dass man ein Problem MECE gerecht in seine Einzelteile zerlegt und analysiert (Analyse). Man geht hier von einem Hauptproblem aus und zerlegt dieses in die Einzelbestandteile. Diese ergeben zusammen das Hauptproblem. Die Einzelbestandteile können wieder Unterpunkte haben. Sobald man auf dem tiefsten Level angelangt ist, analysiert man und aggregiert dann von unten nach oben (button-up). Das nennt man Synthese. Pyramidales Denken hilft, Probleme sauber in Bestandteile zu zerlegen und diese Stück für Stück zu bearbeiten.

Je nach Notwendigkeit, kann das Problem im pyramidialen Denken aus verschiedenen Flughöhen gezeigt werden. Auf der höchsten aggregierten Form ist es beispielsweise für den CEO interessiert, der nicht immer die kleinen Details wissen möchte. Für die einzelnen Fachbereiche wird dann das Problem in höherer Granularität gezeigt. Der Unternehmensberater spricht dann von einem Deepdive – es wird also in die Datein hinein getaucht.

Manchmal interessiert sich auch ein CEO für einen Deepdive. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Projekt zeigt, dass der Umsatzrückgang durch drei Gründe zu erklären ist. Nun kann der CEO nach Wunsch einen Deepdive in einen dieser drei Gründe machen, um die zugrundeliegenden Details noch besser zu verstehen. Bei diesem Grund kann es natürlich noch weitere Unterpunkte geben, die durch einen weiteren Deepdive erläutert werden können.

Die Struktur in Form einer Pyramide hilft, ein Problem strukturiert zu analysieren. Dabei steht das Endergebnis, also die höchste Aggregationsform oft im Vordergrund. Denn es geht schließlich um das Gesamtergebnis.

In Deutschland gibt es in den Rechtswissenschaften ein ganz ähnliches Prinzip. Hier wird der Gutachtensteil und der Urteilsstil unterschieden. Während der Gutachtenstil zunächst die einzelen, kleinen Bestandteile betrachtet und am Ende zu einem Fazit kommt, beginnt der Urteilsstil mit dem Ergebnis am Anfang. Der Urteilsstil ist der Stil, den Manager bevorzugen. Denn der geht so: "Der Umsatz ist um 16% im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Dafür gibt es drei Gründe: A, B und C. Welchen sollen wir uns anschauen?". Bei Bain & Company, einer weltweit führenden Unternehmensberatung wird dieser Ansatz als answer first bezeichnet.

Grundsätzlich hilft das pyramidiale Denken dabei, stets zu wissen, von welchr Flughöhe aus man ein Problem betrachtet. Gerade für Personen, die sehr tief in einer Thematik sind, kann es schwer sein, die Vogelperspektive einzunehmen und ein Problem aus der Big-Picture-Sicht zu verstehen. Das aber ist ganz entscheidend, wenn man eine Thematik an Außenstehende, die mit den Details nicht bewandert sind, vermitteln will.

Beispiele

  • Barbara Minto
  • Unternehmensberatungen
  • Hierarchien

# Karte vs. Territorium

"The map of reality is not reality. Even the best maps are imperfect. That’s because they are reductions of what they represent. If a map were to represent the territory with perfect fidelity, it would no longer be a reduction and thus would no longer be useful to us. A map can also be a snapshot of a point in time, representing something that no longer exists. This is important to keep in mind as we think through problems and make better decisions." — Farnam Street

Alle Karten bilden nur eine vereinfachte Form des Territoriums ab und sind nie 100 % mit dem Territorium identisch. Dasselbe gilt für sämtliche Modelle, sei es in der Volkswirtschaftslehre oder der Physik. Natürlich sollen Modelle so gut es geht mit der Realität konform sein. Aufgrund der Komplexität der Welt ist dies aber nie möglich. Daher muss man bei jedem Modell – und jeder Karte – beachten, dass diese nur eine Abstraktion der Realität darstellt und bei dieser Vereinfachung immer auch Informationen verloren gehen.

Ähnlich wie beim Pyramidenprinzip muss man die Fluhöhe betrachten, aus der man alles beobachtet. Das heißt: Der Maßstab einer Karte spielt dabei eine große Rolle. Eine Karte von Europa, die an eine Wand passt, wird auf Details verzichten müssen – anders geht es gar nicht. Eine Karte (ein Modell) stellt also eine Abstraktion der Wirklichkeit dar. Je nach Sinn und Zweck der Karte, kann die Abstraktion einen unterschiedlichen Fokus haben.

Bei einer Weltkarte beispielsweise müssen wir uns entscheiden, ob sie flächentreu oder linientreu sein soll. Da die Welt annähernd eine Kugel ist, kann eine zweidimensionale Karte nicht gleichzeitig Linen und Flächen korrekt darstellen. Die oft verwendete Mercator-Projektion sorgt zum Beispiel dafür, dass die Weltkarten nicht die richtigen Flächenverhältnisse zeigen. Kanada und die USA sind im Vergleich zu Afrika beispielsweise zu klein dargestellt.

Selbiges gilt analog natürlich für alle Modelle in den Sozialwissenschaften. Oft gelingt es den Wissenschaftlern nicht, die richtigen Modelle zu entwickeln, die die Realität hinreichend gut abbilden. Daher sind viele Modelle der Volkswirtschaftslehre bespielsweise komplett nutzlos, weil sie in der Realität oft nicht funktionieren. Das mussten auch die prominenten Elite-Mathematiker um Merton und Scholes lernen, die einen milliardenschweren Fonds namens Long-Term Capital Management (LTCM) aufgesetzt haben, der in 99% der Fälle sehr, sehr gut performt hat. Im entscheidenen 1%-Fall ist dieser Fonds aber komplett abgestürzt, wie einige Graphen wirklich eindrucksvoll belegen (opens new window).

Beispiele

  • Alfred Korzybski
  • Geographie
  • Modelle in der Wissenschaft
  • Long-Term Capital Management

Verwandte Modelle

  • Komplexe Systeme
  • Schwarzer Schwan

# Kurz- und langfristig: Effekte zweiten Grades

Viele Dinge haben einen direkten Effekt und Effekte zweiten (Second order consequences) oder dritten Grades, die man erst später sieht. Rauchen ist ein gutes Beispiel. Der direkte Effekt ist die Dopamin bedingte Belohnung – die gesundheitlichen Auswirkungen allerdings sind ein hidden effect, den man erst später wahrnimmt. Alle intertemporalen Entscheidungen – also Entscheidungen, deren Auswirkungen verzögert eintreten – haben starke Effekte zweiten Grades: Kraftsport, Drogenkonsum, Diäten, Investments.

Effekte zweiten Grades haben viel mit dem Zeithorizont zu tun. Kurzfristige Effekte und langfristige Effekte sind bei vielen Dingen gegensätzlich: Oft geht kurzfristige Verschlechterung mit langfristiger Verbesserung einher – und umgekehrt.

"Die Schlacht gewinnen, aber den Krieg verlieren" — Sprichtwort

Ein Phyrrus-Sieg beispielsweise ist ein teuer erkaufter Sieg, der langfristig eher einer Niederlage gleichkommt.

Wenn ein Unternehmen viel investiert wird es kurzfristig darunter leiden, weil möglicherweise weniger Cash zur Verfügung steht und die Investitionen sich im Ergebnis widerspiegeln. Langfristig mag sich die Investition auszahlen. Auch umgekehrt gilt das: Es ist in der Management-Literatur hinreichend erforscht, dass viele Manager gerne empires aufbauen, kurzfristige Aktiensteigerungen bewirken (weil sie entsprechend inzentiviert sind), und so dem Unternehmen langfristig schaden. Der Begriff für xkurzssichtiges Denken lautet Myopia – das Fachwort, das auch für die Kurzsichtigkeit im medizinischen Sinne verwendet wird.

Fast alle Menschen, die irgendwann erfolgreich werden, haben dafür vorher Jahre lang ohne adäquate Bezahlung gearbeitet. Es gilt daher bei allen Entscheidungen nicht nur auf die kurzfristigen Auswirkungen zu achten. Vielmehr gilt es, die Vogelperspektive einzunehmen und zu schauen, welche langfristigen oder ungeahnten Folgen eine Entscheidung haben kann. Und dann gilt es zu entscheiden, ob ein kurzfristiger oder langfristiger Erfolg wichtiger ist.

Nicht umsonst wird Studenten – jungen Menschen im Allgemeinen – folgender Spruch mit auf den Weg gegeben:

"Lehrjahre sind keine Herrenjahre" — Sprichtwort

Beispiele

  • Pyrrhussieg
  • Intertemporale Entscheidungen
  • Kettenreaktionen
  • Domino-Steine

Verwandte Modelle

  • Schmetteringseffekt
  • Unknown unknowns

# Äquifinalität und Pfadabhängigkeit

"Viele Wege führen nach Rom" — Volksmund

Man kann auf verschiedenen Wegen von A nach B kommen. Das ist das Konzept der Äquifinalität. Äquifinalität ist das Resultat von komplexen, non-linearen Systemen. Um Unternehmer zu werden gibt es viele Wege.

Wie kann man dieses Modell verwenden? Oft hilft dieses Modell bereits festzustellen, dass es mehrere Lösungsansätze geben kann. Das hat zur Folge, dass man nicht in alten Mustern weiterarbeitet. Auch hier kann der Einsatz von Reasnong from First Principles hilfreich sein. Denn wenn man ein Probem von grundauf betrachtet, zeichnen sich möglicherweise mehr Lösungsansätze ab, als wenn man von bestehenden Lösungen ausgeht.

Ein Haus kann man auf ganz unterschiedliche Weisen bauen. Es gibt verschiedene Materialien, Techniken. Im Endeffekt kann ein gut gebautes Haus auf ganz unterschiedlichen Wegen enstehen.

Im Zusammenhang mit Äquifinalität muss man auch das Konzept von Pfadabhängigkeit betrachten. Wenn man Diplomant werden will, muss man ein gewisses Programm beim Auswärtigen Amt durchlaufen. Diesen Pfad muss jeder zukünftige Diplomat gehen. Davor kann der Kandidat aber auf verschiedenen Pfaden unterwegs gewesen sein. Diplomant werden kann man gerne als Jurist, Volkswirt oder auch Politikwissenschaftler. Aber die Aufnnahmeprüfung, das Beherrschen von gewissen Fremdsprachen – dieser Pfad ist für jeden Diplomaten gleich.

Nicht alle Pfade sind gleich und führen zum gleichen Ergebnis. Aber manchmal führen unterschiedliche Pfade auch zum gleichen Ergebnis. Millionär werden kann man auf ganz viele, unterschiedliche Wege. Der Pfad zum Präsidenten ist für jemanden, der nicht in den USA geboren ist, nicht möglich.

Verwandte Modelle

  • First Principles

# Effective truth

"Entscheidend ist, was hinten rauskommt" — Helmut Kohl

Laut Machiavelli zählt am Ende nur das Resultat. Er nennt das effective truth. Im negativen Sinne kann daraus ein gefährlicher Utilitarismus werden (Der Zweck heiligt die Mittel).

Positiv ausgelegt kann man dieses Konzept aber auch so verstehen, dass man ergebnisorientiert arbeitet. Stephen Coveys zweites Habit (opens new window) lautet:

"Always begin with the end in mind" — Stephen Covey

Auch in Robert Greenes "48 Laws of Power (opens new window)" wird dieses Konzept berücksichtigt. In Law 29 heißt es:

"Plan all the way to the End" — Robert Greene

Auch der Volksmund hat gute Worte gefunden, die Bedeutung des Ergebnisses zu betonen:

"Das Gegenteil von gut (gemacht) ist gut gemeint!" — Sprichwort

Es gibt Dutzende Beispiele dafür, dass am Ende das Ergebnis wichtig ist. Eine Plan ist immer nur so gut, wie seine Ausführung. Auch Guardiola hat feststellen müssen, dass Tiki-Taka-Fußball zwar zu viel Ballbesitzt führt, aber im Fußball zählen am Ende des Tages die Tore.

Beispiele

  • Niccolò Machiavelli
  • Ludwig von Rochau
  • Stephen Covey
  • Robert Greene

Verwandte Modelle

  • Utilitarismus
  • Konsequentialismus vs. Non-Konsequentialismus
  • Aktionen vs. Worte
  • Tiki-Taka-Fußball
  • Gut gemeint
  • Plan vs. Ausführung

# Unknown unknowns

Es gibt Dinge, von denen man weiß, dass sie existieren, deren Wert oder Wahrscheinlichkeit man aber nicht kennt. Das sind die known unknowns. Dann aber gibt es Dinge, die existieren, von denen man aber nicht weiß, dass sie existieren. Das sind die unknown unknowns.

Bekannt wurde das Konzept durch Donald Rumsfeld, der folgendes sagte:

"[T]here are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns – there are things we do not know we don't know" — Donald Rumsfeld

Es ist gefährlich anzunehmen, dass man perfekt informiert ist. In vielen Fällen übersieht man etwas, von dem man nicht weiß, dass es existiert. Das führt oft zu schwarzen Schwänen.

Nassim Taleb beschreibt Umberto Eccos Konzept der Antilibrary (opens new window), das in eine ähnliche Kerbe schlägt. Wenn wir uns mit Büchern umgeben, die wir nicht gelesen haben, wird uns deutlich, dass wir vieles nicht wissen. Dann aber gibt es da natürlich noch die Bücher, von denen wir gar nicht wissen, dass sie existieren – und über deren Wissen wir deshalb auch nicht informiert sind.

Grundsätzlich tun wir gut darin, unser Wissen nicht zu überschätzen. Früher gab es noch Universalgehlehrte – Ben Franklin, Leonardo DaVinci – aber das ist in der heutigen Zeit nicht möglich. Der Kreis unseres Wissen ist klein, der Kreis unseres bewussten Nichtwissens ist etwas größer – am größten aber ist der Kreis um das Nichtwissen, von dem wir nicht wissen, dass es es gibt. Intellektuelle Demut ist demzufolge eine gesunde Einstellung.

Beispiele

  • Erkenntnistheorie

Verwandte Modelle

  • Schwarzer Schwan
  • Circle of Competence

# Theorie vs. Praxis

"In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, in der Praxis schon." — Yogi Berra zugeschrieben

Die Dichotomie zwischen Theorie und Praxis gibt es schon lange. Was im Business funktioniert wird oft erst später in der Wissenschaft bestätigt: Business vor Wissenschaft. Für mich gibt es daneben noch die Dichotomie zwischen streetsmarts und booksmarts, die im amerikanischen Sprachraum oft zu finden ist.

Booksmarts ist der Weg der Mittelschicht, der den meisten ein gut-bürgerliches Leben ermöglicht und einigen wenigen wirklichen Erfolg. Es ist der Weg, den ich den Weg der Akademiker nenne. Er ist geprägt von Dogma, harter Arbeit und vielen Regeln. Der Weg der Akademiker zeichnet sich in erster Linie durch Intelligenz und Fleiß aus.

Anders als bei den Akademikern ist Intelligenz im Sinne von guten Noten bei den Streetsmarts nicht das Entscheidende. Streetsmarts weisen bestimmte Charaktereigenschaften auf, den die meisten Akademiker vermissen lassen. Sie sind risikobereit, unkonventionell und auch ein bisschen dreist, manche gar rücksichtslos. Beispiele: sämtliche Sales-Leute, von Staubsaugerverkäufern über Versicherungs- und Immobilienmakler, viele Unternehmer.

In diesem Zusammenhang ist auch das Konzept von Plänen wichtig. Es gilt nämlich: Ein Plan ist nur so gut wie seine Ausführung. Will sagen: ein guter Plan ist nutzlis, wenn er nicht ausgeführt wird.

Beispiele

  • Elfenbeinturm der Wissenschaftler
  • Debatte um "Rigor vs. Relevance" in der BWL

Verwandte Modelle

  • Talebs "Green lumber fallacy"
  • Aktionen vs. Worte

# Worte vs. Aktionen

"Walk the talk" — Sprichport

Menschen reden viel – was zählt ist aber, was sie machen. Dies muss man bei allen Entscheidungen berücksichtigen. Zumindest langfristig kann man so ziemlich gut zwischen wirklichen Performern und Schaumschlägern unterscheiden.

Nicht umsonst heißt es:

"Worte sind der Schatten der Tat" — Sprichport

Oder auch:

"Taten sagen mehr als Worte" — Sprichport

Deshalb: Weniger reden, mehr machen.

Beispiele

  • Matthäus 7:15–20
  • Lukas 6:43–45, die Pharisäer

Verwandte Modelle

  • Attitude behavior gap
  • Theorie vs. Praxis
Zuletzt geändert: 1/29/2022, 10:25:23 AM